Selen bei Pferden: Wirkung, optimale Versorgung, Rebound-Effekt & Überdosierung vermeiden
Einleitung: Die Bedeutung von Selen für Pferde
Selen ist ein essenzielles Spurenelement, das für zahlreiche lebenswichtige Prozesse im Pferdekörper benötigt wird. Es spielt eine zentrale Rolle im antioxidativen Schutzsystem, unterstützt die Schilddrüsenfunktion und ist maßgeblich an der Muskel- und Immunfunktion beteiligt. Ein Mangel oder eine Überversorgung kann jedoch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Daher ist es für Pferdehalter entscheidend, die richtige Form, Dosierung und Notwendigkeit von Selen zu kennen.
Selen gehört zu den essenziellen Spurenelementen, die der Pferdeorganismus nicht selbst herstellen kann. Es wird über die Nahrung aufgenommen und in verschiedenen Enzymen, wie der Glutathionperoxidase, eingebaut. Diese Enzyme schützen Zellen vor oxidativem Stress, was vor allem bei stark beanspruchten Pferden wie Sport- oder Zuchtpferden wichtig ist.
Die wichtigsten Funktionen von Selen im Pferdekörper
- Unterstützung des Immunsystems
- Schutz vor oxidativem Stress
- Gesunde Muskelfunktion und Energiegewinnung
- Förderung der Fruchtbarkeit
- Beitrag zur Huf- und Fellgesundheit
Besonders unter Belastung — wie bei Sportpferden oder Zuchtstuten — ist eine ausreichende Selenversorgung unerlässlich.
Organisches vs. anorganisches Selen: Unterschiede verstehen
Selen ist in Futtermitteln in zwei Formen verfügbar:
- Organisches Selen (Selenomethionin, Selenhefe): Wird im Körper wie eine Aminosäure genutzt und in Körperproteine eingebaut. Es besitzt eine hohe Bioverfügbarkeit und wird langfristig gespeichert. Vorteilhaft für eine konstante Versorgung, birgt jedoch das Risiko einer Anreicherung und den Rebound-Effekt.
- Anorganisches Selen (Natriumselenit): Wird direkt im Stoffwechsel verwertet und schnell wieder ausgeschieden. Es eignet sich besonders für kurzfristige und kontrollierte Gaben, ohne langfristige Speicherung.
Vergleichstabelle:
Merkmal | Selenomethionin (organisch) | Natriumselenit (anorganisch) |
---|---|---|
Aufnahmegeschwindigkeit | Langsam | Schnell |
Speicherung im Körper | Hoch (in Gewebe & Proteinen) | Gering |
Rebound-Effekt | Möglich | Nicht typisch |
Kontrolle der Dosierung | Schwieriger | Einfacher |
Eignung für Langzeitgabe | Gut (unter Kontrolle) | Eingeschränkt |
Risiko der Anreicherung | Höher | Geringer |
Der Rebound-Effekt: Risiken von Selenomethionin
Ein bekanntes Risiko bei Selenomethionin ist der sogenannte Rebound-Effekt. Auch wenn die Selenzufuhr längst beendet wurde, können die Selenwerte im Blutplasma noch deutlich ansteigen.
Warum?
Selenomethionin wird unspezifisch in körpereigene Eiweiße eingebaut. Erst wenn diese Proteine abgebaut werden, wird das gespeicherte Selen langsam wieder freigesetzt. Wochen später steigt der Selenwert erneut im Blutplasma, was die Gefahr einer schleichenden Überversorgung birgt.
Gesundheitsrisiken des Rebound-Effekts:
- Brüchige Hufe
- Schlechter Fellwechsel
- Chronischer Husten
- Erhöhtes Risiko für Insulinresistenz, Hufrehe und Übergewicht
Warum die Kombination aus organischem und anorganischem Selen sinnvoll ist
Die Kombination aus organischem und anorganischem Selen im Verhältnis 1:2 gilt als optimal.
Vorteile der Kombination:
- Organisches Selen sorgt für langfristige Versorgung.
- Anorganisches Selen deckt den akuten Bedarf und vermeidet den Rebound-Effekt.
- Gemeinsame Gabe sichert eine stabile Selenversorgung ohne Risiko einer Überladung.
Praxisbeispiel: Selenversorgung in der Pferdehaltung
Ein Reitstall in Süddeutschland mit rund 40 Warmblütern, darunter mehrere Sportpferde auf Turnierniveau, hatte wiederholt Probleme mit Muskelverspannungen und Leistungsabfall. Nach Blutanalysen bei mehreren Pferden stellte der betreuende Tierarzt einen generellen Selenmangel fest. Der Grund: Das Grundfutter bestand überwiegend aus Heu von regionalen Flächen mit bekannt niedrigem Selengehalt (Analysewert ca. 0,09 mg/kg Trockensubstanz).
Zur schnellen Korrektur des Mangels wurde eine gezielte Supplementierung mit Selenomethionin begonnen. Die Pferde erhielten täglich eine exakt dosierte Menge, angepasst an Gewicht und Leistungsniveau (ca. 2,5–3 mg pro Tier). Bereits nach rund sechs Wochen verbesserten sich die Blutwerte signifikant, Muskelverspannungen und Leistungstiefs gingen spürbar zurück.
Doch nach etwa drei Monaten zeigten einige Pferde trotz Absetzen des Selenomethionins weiterhin steigende Blut-Selenwerte. Es trat der Rebound-Effekt auf: Das zuvor in Muskelproteinen gespeicherte Selenomethionin wurde nach und nach freigesetzt, wodurch sich die Werte unkontrolliert erhöhten.
Die Lösung: In Absprache mit Tierarzt und Futterberater wurde auf eine Erhaltungsfütterung mit anorganischem Natriumselenit umgestellt. Diese Form des Selens ermöglicht eine bessere Kontrolle, da sie weniger in Geweben gespeichert wird und überschüssige Mengen schneller ausgeschieden werden. Parallel wurden die Blutwerte im Monatsrhythmus kontrolliert, um eine erneute Anreicherung zu vermeiden.
Das Ergebnis:
Nach insgesamt sechs Monaten waren die Selenwerte der Pferde stabil im optimalen Bereich. Muskelprobleme traten nicht mehr auf, die Pferde wirkten insgesamt vitaler, zeigten eine bessere Rittigkeit und auch Fell- sowie Hufqualität verbesserten sich sichtbar.
Wichtiges Learning aus der Praxis:
- Akuter Mangel kann mit organischem Selen schnell ausgeglichen werden.
- Langfristig empfiehlt sich die Kombination mit anorganischem Selen im Verhältnis 1:2, um den Rebound-Effekt zu vermeiden.
- Kontinuierliches Monitoring durch Blutanalysen ist essenziell, um sowohl Mangel als auch Überversorgung sicher zu erkennen und zu steuern.
Wie Selen im Pferdekörper gespeichert und freigesetzt wird
- Organisches Selen: Speicherung in Körperproteinen, langsame Freisetzung beim Proteinabbau.
- Anorganisches Selen: Rasche Verwertung, kaum Speicherung, schnelle Ausscheidung.
Eine regelmäßige Blutkontrolle ist daher Pflicht, um Veränderungen im Selenhaushalt rechtzeitig zu erkennen.
Symptome eines Selenmangels beim Pferd
- Schwaches Immunsystem
- Muskelprobleme, Muskelzittern
- Leistungsschwäche
- Fruchtbarkeitsstörungen
- Mattes Fell und schlechte Hornqualität
- Muskelprobleme, Tying Up
Selenmangel vermeiden:
- Analysen des Grundfutters
- Ergänzungsfuttermittel gezielt einsetzen
- Regelmäßige Blutuntersuchungen
Symptome einer Selenüberdosierung beim Pferd
- Brüchige Hufe
- Mattes, glanzloses Fell
- Husten und Atemprobleme
- Magen-Darm-Probleme
- Erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen und Insulinresistenz
Selenvergiftung vermeiden:
- Keine Doppelgaben durch unterschiedliche Futtermittel
- Vorsicht bei Eigenmischungen
- Immer den Selenstatus überprüfen
Selenbedarf für besondere Pferdegruppen
- Jungpferde: Besonders auf Versorgung achten, um Wachstumsschäden zu vermeiden.
- Sportpferde: Höherer Bedarf durch gesteigerten oxidativen Stress.
- Zuchtstuten: Wichtig für Fruchtbarkeit und gesunde Entwicklung des Fohlens.
Empfehlung: Ca. 1–3 mg Selen pro Tag für ein 500-kg-Pferd.
Natürliche und ergänzende Selenquellen für Pferde
Futtermittel | Selengehalt mg/kg Trockensubstanz | Selengehalt mg/kg Frischsubstanz |
---|---|---|
Weidegras | 0,01–0,12 | 0,002–0,024 |
Grasheu | 0,10 | 0,09 |
Luzerneheu | 0,06 | 0,05 |
Hafer | 0,06 | 0,05 |
Getrocknete Rübenschnitzel | 0,05 | 0,04 |
Karotten | 0,02 | 0,002 |
Weizenkleie | 0,05–0,40 | 0,044–0,04 |
Quellen:
Heuauswertung LUFA Nordwest (2021)
Pferdefütterung 6. Auflage, Coenen & Vervuert (2019)
DLG Futterwerttabellen
NRC (2007), Stoebe et al. (2015)
Zusammenfassung:
- ➡️ Grundfuttermittel sind hierzulande meist selenarm — daher empfiehlt sich im Bedarfsfall die gezielte Ergänzung mit Mineralfuttern oder anderen gezielten Ergänzungen.
Vermeidung von Selenvergiftungen: Wichtige Tipps
- Keine Mehrfachgabe durch verschiedene Futtermittel (Höchstmengen je Tag unbedingt beachten)
- Selenstatus regelmäßig überprüfen durch Blutkontrollen und ggf. Haaranalysen
- Fachberatung (durch den Tierarzt) und Blutuntersuchungen bei Verdacht
So wird der Selenstatus richtig kontrolliert
- Blutuntersuchung im Labor
- Besonders bei Sport- und Zuchtpferden 2x jährlich empfohlen
- Genaue Überwachung bei Futterumstellungen oder Erkrankungen
Fazit: Auf die Balance kommt es an
Selen ist unverzichtbar für Pferde — doch nur die richtige Balance zwischen organischem und anorganischem Selen sorgt für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Mit dem optimalen Verhältnis von 1:2 und regelmäßiger Kontrolle vermeidest du sowohl Mangelerscheinungen als auch Vergiftungen zuverlässig.
FAQs zum Thema Selen bei Pferden
- Wie häufig sollte der Selenstatus überprüft werden? Mindestens einmal jährlich, bei Sport- und Zuchtpferden öfter.
- Ist organisches Selen immer besser? Nein, die Kombination mit anorganischem Selen ist ideal.
- Wie erkenne ich einen schleichenden Selenmangel? Leistungsschwäche, Muskelprobleme und mattes Fell sind erste Anzeichen.
- Kann der Selenbedarf durch Grundfutter gedeckt werden? Selten — Grundfutter aus mitteleuropäischen Regionen ist meist zu selenarm.
- Wie erkenne ich eine beginnende Selenvergiftung? Stumpfes Fell, brüchige Hufe und Atemprobleme sind Warnzeichen.