Magengeschwüre beim Pferd: Ursachen, Symptome & ganzheitliche Maßnahmen – wissenschaftlich erklärt
Einleitung: Eine stille, oft übersehene Erkrankung
Magengeschwüre zählen zu den häufigsten, aber gleichzeitig am meisten unterschätzten Gesundheitsproblemen bei Pferden. Aktuelle Studien zeigen:
- Etwa 40 % aller Freizeitpferde
- Bis zu 65 % der Turnierpferde
- Und bis zu 90 % der Galopprennpferde
sind betroffen – oft ohne erkennbare Symptome.
Schmerzen, Leistungseinbußen, Verhaltensauffälligkeiten und langfristige Gesundheitsprobleme sind mögliche Folgen. In diesem Artikel erfährst du, wie du Magengeschwüre frühzeitig erkennst, welche Ursachen sie haben und welche ganzheitlichen Maßnahmen nach aktuellem Wissensstand helfen.
1. Was ist ein Magengeschwür beim Pferd?
Ein Magengeschwür ist eine tiefere Schädigung der Magenschleimhaut. Betroffen ist meist der vordere, drüsenlose Teil des Magens, der nicht vor der permanent produzierten Magensäure geschützt ist. Fehlt eine ausreichende Pufferung durch Speichel oder Schleimstoffe, greift die Säure die Schleimhaut an – Entzündungen und Geschwüre sind die Folge.
2. Ursachen: Wie entstehen Magengeschwüre beim Pferd?
2.1 Stress – der häufigste Auslöser
Stress erhöht die Cortisolproduktion im Körper. Das beeinträchtigt die Durchblutung und Selbstschutzfunktion der Magenschleimhaut. Typische Stressfaktoren sind:
- Transport, Turniere, Stall- oder Herdenwechsel
- häufig wechselnde Reiter oder Bezugspersonen
- soziale Unruhe im Offenstall
- ungeeignete Trainingsbedingungen oder Überforderung
2.2 Fehler in der Fütterung
Pferde sind von Natur aus Dauerfresser. Lange Fresspausen oder energiereiche Fütterung bei gleichzeitigem Rauhfuttermangel führen zu Magensäureüberschuss.
Weitere Risikofaktoren:
- zu hoher Kraftfutteranteil
- falsche Fütterungsreihenfolge (Heu vor Kraftfutter!)
- verdorbenes oder verpilztes Futter
- lange Fastenzeiten (über 4 Stunden)
2.3 Haltung & Bewegung
- soziale Isolation oder reine Boxenhaltung
- dauerhafte Unruhe durch zu große Herden
- Bewegungsmangel oder übermäßige Belastung
belasten das vegetative Nervensystem und fördern die Entstehung von Geschwüren.
2.4 Medikamente & Koliken
Die Gabe von nicht-steroidalen Antiphlogistika bzw. NSAIDs (z.B. Phenylbutazon) über längere Zeit kann bei Magenproblem des Pferdes nachteilig sein . Zwar wirken sie schmerz- und entzündungshemmend, können jedoch bei längerer Anwendung die Magenschleimhaut schädigen, da sie die Bildung von schützenden Prostaglandinen hemmen.
Auch Koliken gehen mit Stress, Futterentzug und Medikamenten einher – alles Risikofaktoren für die Magenwand.
3. Symptome: Wie erkenne ich ein Magengeschwür beim Pferd?
Die Anzeichen sind oft unspezifisch. Mögliche Hinweise:
- Rückläufige oder selektive Futteraufnahme
- Ablehnung von Kraftfutter
- Leistungsschwäche, Apathie
- Gewichtsverlust
- häufiges Gähnen, Flehmen oder Zähneknirschen
- Kotwasser, vermehrte Koliken
- Verhaltensänderungen (z.B. Sattelzwang, Unwilligkeit, Nervosität)
Nur eine Gastroskopie liefert eine sichere Diagnose und zeigt Ort, Anzahl und Tiefe der Läsionen.
4. Therapie: Was hilft bei Magengeschwüren?
4.1 Medikamentöse Behandlung
Der Wirkstoff Omeprazol (z.B. GastroGard®, Equizol®) reduziert die Magensäureproduktion und unterstützt die Regeneration. Die Behandlung erfolgt über mehrere Wochen. Omeprazol gilt als Mittel der Wahl bei der Behandlung von Magengeschwüren beim Pferd.
Es handelt sich um einen Protonenpumpenhemmer, der die Produktion von Magensäure gezielt hemmt, sodass die gereizte Magenschleimhaut abheilen kann. Studien und klinische Erfahrungen bestätigen, dass Omeprazol derzeit die wirksamste medikamentöse Therapie für Equine Gastric Ulcer Syndrome (EGUS) ist – besonders im vorderen, drüsenlosen Magenteil.
Wichtig: Keine Humanpräparate verwenden – unbedingt auf pferdespezifische Produkte und tierärztliche Begleitung achten.
4.2 Magenschonende Fütterung: Das kann unterstützen
4.2.1. Magnesium
Wirkt beruhigend auf das Nervensystem, hilft bei Reizüberleitung und senkt Stress. Besonders empfehlenswert in organischen Verbindungen wie Magnesiumcitrat, -malat oder -glycinat.
4.2.2. Huminsäuren (Leonardit)
Wirken schützend auf die Magen- und Darmschleimhaut, binden Toxine und reduzieren Irritationen. In der Kombination mit anderen Schleimhautschützern sinnvoll.
4.2.3. Schleimstoffreiche Zusätze
- Flohsamenschalen: bilden eine Gel-Schicht – sehr effektiv, aber kostenintensiv.
- Leinsamen: als Leinsamenschleim, gequollen oder ganz/unaufgequollen. Nicht geschrotet bei akuten Magenproblemen.
- Apfeltrester: liefert Pektine, sparsam einsetzen.
- Hafer(schleim): nur bei guter Verträglichkeit; begrenzt empfehlenswert.
4.2.4. Antioxidantien
Vitamin E, säureneutrales Vitamin C (z.B. als Calciumascorbat), Selen und Carotinoide unterstützen die Zellregeneration und neutralisieren freie Radikale.
4.2.5. Magenkräuter & pflanzliche Helfer
Empfohlene Pflanzen mit schleimhautschützender, entzündungshemmender oder beruhigender Wirkung:
- Kamille, Fenchel, Anis, Kümmel, Pfefferminze
- Süßholzwurzel, Ringelblume, Eibisch, Mädesüß
→ Kräuter möglichst in Bioqualität und aus zuverlässigen Quellen beziehen (zum Teil erhebliche Qualitätsunterschiede und unterschiedliche Belastungen). Herstellerangaben und Fütterungsempfehlungen unbedingt beachten.
5. Prävention: So lassen sich Magengeschwüre vermeiden
- Heu ad libitum (mind. 1,5–2 kg pro 100 kg Körpergewicht)
- keine Fresspausen >4 Stunden
- Fütterungsreihenfolge beachten: immer erst Heu, dann Kraftfutter
- strukturreiche, staubfreie Futterqualität
- täglicher Sozialkontakt und Auslauf
- angepasstes Training mit Ruhephasen
- regelmäßige tierärztliche Check-ups
6. Diagnostik: Wann ist eine Gastroskopie notwendig?
Bei folgenden Symptomen sollte eine Gastroskopie erwogen werden:
- Futterverweigerung (insbesondere bei Kraftfutter)
- unklarer Gewichtsverlust
- chronisches Kotwasser
- Verhaltensveränderungen (z.B. plötzlicher Sattelzwang)
- wiederkehrende Koliken
→ Nur die Gastroskopie ermöglicht eine differenzierte Beurteilung des Magens und eine gezielte Therapieentscheidung.
7. Fazit: Ein empfindliches Gleichgewicht im Pferdemagen
Magengeschwüre entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel aus Fütterung, Haltung, Training und Stress. Mit frühzeitiger Diagnose, einer gezielten Therapie und begleitender Fütterungsstrategie lassen sich Beschwerden lindern und Rückfälle vermeiden. Ganzheitliches Management ist der Schlüssel zur Magen- und damit zur allgemeinen Pferdegesundheit.
Quellen & Studienauswahl
- Coenen M., Vervuert I. (2020): Pferdefütterung – Lehrbuch für Studium und Praxis
- Andrews FM et al. (1999): Gastric ulcers in horses, Equine Veterinary Journal
- Murray MJ (1997): Gastroscopy findings in horses, Journal of Equine Veterinary Science
- Bertin FR, Secombe CJ (2015): Gastric ulceration in adult horses, Australian Veterinary Journal
- Husted L et al. (2009): Effects of feeding and exercise on gastric pH, Equine Veterinary Journal
FAQ – Häufige Fragen zu Magengeschwüren beim Pferd
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Wie häufig sind Magengeschwüre bei Pferden?
Etwa 40 % der Freizeit-, bis zu 65 % der Turnier- und bis zu 90 % der Rennpferde sind betroffen. -
Welche Symptome weisen auf ein Magengeschwür hin?
Futterverweigerung, Gähnen, Gewichtsverlust, Sattelzwang, Koliken oder aggressives Verhalten. -
Muss mein Pferd bei einem Magengeschwür pausieren?
In der akuten Phase ja – nach Abheilung langsames, angepasstes Aufbautraining. -
Wie wird ein Magengeschwür diagnostiziert?
Nur durch Gastroskopie (Magenspiegelung) kann ein Geschwür sicher festgestellt werden. -
Was sollte mein Pferd bei Magengeschwüren fressen?
Strukturreiches Heu, schleimstoffreiche Zusätze, wenig bis kein Kraftfutter, magenschonende Ergänzungen.