Bierhefe beim Pferd: Wirkung, Nutzen & Risiken wissenschaftlich erklärt
Einleitung: Bierhefe – Mythos oder Must-have in der Pferdefütterung?
Kaum ein Futtermittel sorgt in der Pferdefütterung für so viel Diskussion wie Bierhefe. Während manche auf ihre darmstärkenden und nährstoffreichen Eigenschaften schwören, warnen andere vor Unverträglichkeiten oder Verwechslungen mit anderen Hefearten. Dieser Beitrag klärt auf – wissenschaftlich fundiert, praxisnah und differenziert.
Was ist Bierhefe eigentlich? Definitionen & Formen
Bierhefe ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Hefeprodukte, meist aus dem Brauprozess gewonnen. In der Pferdefütterung kommen zwei Hauptformen vor:
- Inaktive Bierhefe: Nach dem Brauprozess getrocknet, nicht mehr lebendig – enthält jedoch wertvolle Zellbestandteile.
- Lebendhefe (z. B. Saccharomyces cerevisiae): Wird gezielt als probiotisches Ergänzungsfuttermittel eingesetzt, ist aber nicht identisch mit Bierhefe aus dem Brauprozess.
- Biertreber: Rückstände des Braumalzes, eiweißreich, oft mit Hefe vermischt.
Unterschiede zwischen Bierhefe, Lebendhefe und Biertreber
Viele Missverständnisse entstehen durch ungenaue Deklarationen. Wichtig:
- Inaktive Bierhefe ist ein Einzelfuttermittel und muss nicht als Zusatzstoff gekennzeichnet werden. Die inaktive Bierhefe ist keine aktive Hefe, sondern wird durch Trocknung oder Erhitzung inaktiviert, was bedeutet, dass sie nicht mehr in der Lage ist, zu fermentieren.
- Lebendhefen müssen laut Futtermittelrecht klar deklariert sein. Sie können im Darm des Pferdes vermehrungsfähige Hefekulturen bilden.
- Bierhefe BT bezeichnet eine Mischung aus Hefe und eiweißreichem Biertreber – oft kritisch bei Rehe- oder EMS-Pferden (Mengen beachten!)
Herstellung & Qualität echter Bierhefe
Echte Bierhefe entsteht durch den Brauprozess mit Gerste, Hopfen und Wasser. Nach der Gärung wird die Hefe abgetrennt, getrocknet und inaktiviert. Dabei bleiben viele wertvolle Zellinhaltsstoffe wie B-Vitamine, Beta-Glucane oder Spurenelemente erhalten.
Inhaltsstoffe von Bierhefe – Was steckt drin?
Bierhefe überzeugt mit einem breiten Nährstoffspektrum:
- B-Vitamine: B1, B2, B3, B5, B6, B7 (Biotin), B9 (Folsäure)
- Hochwertige Aminosäuren (besonders Lysin)
- Spurenelemente: Zink, Kupfer, Mangan, Selen, Eisen
- Beta-Glucane & Mannan-Oligosaccharide (MOS)
- Cholin zur Unterstützung der Leber
- Protein: 40–50 % bei reiner Bierhefe
B-Vitamine in der Bierhefe – Funktion und Bedeutung
B-Vitamine sind essenziell für:
- Haut- und Fellgesundheit
- Nervenfunktion und Stressresistenz
- Hufwachstum
- Energie- und Eiweißstoffwechsel
Gerade Biotin, Folsäure und B6 wirken synergetisch für Haut, Fell und Schleimhäute.
Beta-Glucane & MOS – Immunbooster für den Darm
Beta-Glucane und MOS stärken das Immunsystem und wirken präbiotisch:
- Förderung gesunder Darmbakterien
- Stimulation von Fresszellen (Makrophagen)
- Hemmung pathogener Keime
- Stärkung der Darmschleimhautbarriere
Cholin & Lebergesundheit
Cholin unterstützt:
- Fettstoffwechsel der Leber
- Entgiftungsvorgänge
- Zellneubildung und Leberregeneration
Gerade bei Pferden mit Leberschäden, Medikamentengaben oder Mykotoxinbelastung ist Cholin sinnvoll.
Bierhefe als natürliche Mineralstoffquelle
Im Gegensatz zu synthetisch zugeführten Spurenelementen liegen die Mineralien in Bierhefe in organisch gebundener Form vor – das bedeutet:
- Höhere Bioverfügbarkeit
- Bessere Verträglichkeit
- Geringere Ausscheidungsverluste
Proteinqualität & Aminosäurenprofil – ideal für Muskelaufbau?
Bierhefe liefert wertvolles Lysin – eine limitierende Aminosäure im Pferdefutter. Ideal für:
- Muskelaufbau bei Sportpferden
- Senioren mit Muskelabbau
- PSSM2-Pferde mit erhöhtem Eiweißbedarf
Mykotoxinbindung durch Hefezellwände – wissenschaftlich erklärt
Hefezellwände enthalten spezielle Polysaccharide (Beta-Glucane & MOS), die:
- Mykotoxine wie DON, ZEA oder Aflatoxine binden
- Pathogene an der Darmschleimhaut blockieren
- Die natürliche Immunabwehr fördern
Biolex® MB40 im Fokus: Spezialisierte Bierhefe mit Toxinbindung
Studien belegen: Biolex® MB40 besitzt eine hohe Bindungsfähigkeit gegenüber Mykotoxinen, besonders:
- Zearalenon (ZEA)
- Deoxynivalenol (DON)
- Ergotalkaloide
Zusätzlich wird die Produktion kurzkettiger Fettsäuren im Darm gefördert – ein Marker für Darmgesundheit.
Einsatzgebiete in der Praxis – Haut, Fell, Darm, Leistung
Anwendungsbeispiele:
- Hautprobleme & Sommerekzem: Unterstützung der Hautbarriere, Biotinbildung
- Hufqualität: Wachstumsförderung durch Biotin & Zink
- Fellwechsel: B-Vitamine & Aminosäuren verbessern das Hautbild
- Stoffwechsel: Stabilisierung durch präbiotische Wirkung
Kotwasser & Verdauung: Bierhefe als stabilisierende Ergänzung
Pferde mit Kotwasser oder empfindlichem Magen-Darm-Trakt profitieren in der Regel von Bierhefe, weil:
- Der pH-Wert im Dickdarm stabilisiert wird
- Die Mikrobiota positiv beeinflusst wird
- Giftstoffe neutralisiert und ausgeschieden werden
Professor Kienzle empfiehlt speziell Yea-Sacc-Aktivhefe: Nicht vermehrungsfähig, aber wirksam gegen pH-Schwankungen und Fäulnisflora.
Bierhefe bei Stoffwechselproblemen (EMS, PSSM2, Rehe)
- EMS/Rehe: Vorsicht bei Bierhefe mit hohem Biertreber-Anteil (hoher Eiweißgehalt)
- PSSM2: Reine Bierhefe liefert wertvolle Aminosäuren ohne zuckerreiche Bestandteile
- PSSM1: Keine Bierhefe füttern!
Sommerekzem, Hautprobleme & Fellwechsel
Bierhefe unterstützt:
- Die Regeneration der Haut
- Die körpereigene Biotinproduktion
- Die Versorgung mit Zink, Kupfer & Methionin
Bierhefe zur Unterstützung von Fruchtbarkeit & Zuchtleistung
- Fördert Besamungserfolg & Trächtigkeit
- Verbessert BCS & hormonelle Balance
- Liefert Methylgruppen (über Cholin, B12, Folsäure)
Dosierungsempfehlung: Wie viel Bierhefe ist sinnvoll?
Pferdetyp | Tagesmenge in g |
---|---|
Pony | 30–70 |
Großpferd | 50–100 |
Rehepferde/EMS | 30–50 (nur reine Bierhefe) |
Senioren/Sportler | bis 100 |
Wann Vorsicht geboten ist: Unverträglichkeiten & PSSM1
Nicht jedes Pferd verträgt (jede) Bierhefe. Mögliche Symptome können sein:
- Kotwasser (Bierhefe wie Biolex MB40 kann positiv unterstützen)
- Blähungen
- Mattigkeit
Unbedingt auf die Produktdeklaration und Art der Bierhefe achten (z. B. Anteil an Biertreber, Beta-Glukanen und Mannan-Oligosaccharide).
Deklaration & Qualitätsmerkmale auf Futtermitteln erkennen
- „Zusatzstoffe“ = Lebendhefen
- „Einzelfuttermittel“ = Inaktive Bierhefe
- „BT“ oder „Biertreber“ = Mischung – kritisch bei EMS, Rehe
Studienlage: Was zeigt die Wissenschaft zur Bierhefe?
- Coenen & Vervuert (2020): Stabilisierung der Darmflora
- Morgan et al. (2007): Verbesserung bei niedriger Heuqualität
- Karp (2011): Eiweißfutter in der Zucht
- Zentek et al. (2008): Ernährung und Diätetik in der Tiermedizin
- Pruss et al. (2023): Hefe-Wissen bei Endverbrauchern
- Rakebrandt (2022): Bierhefe und Biolex MB40
- Snow & Frigg (1990): Bioverfügbarkeit von Vitamin C
- Deaton et al. (2003): Ascorbat-Bioverfügbarkeit
- Yea-Sacc® – Datenblatt
- Leiber GmbH (2023): Produktinformationen Biolex® MB40
- EFSA Journal (2013): Sicherheit von Saccharomyces cerevisiae
- Kienzle (2018–2023): Empfehlungen zu Lebendhefen
Fazit: Bierhefe – Ein unterschätzter Alleskönner in der Pferdefütterung?
✅ Wertvoll bei Hautproblemen, Fellwechsel, Darmstörungen
✅ Unterstützt Immunfunktion & Leber
✅ Besonders nützlich bei Reizdarm, EMS, PSSM2
⛔ Vorsicht bei Biertreber-Anteilen & PSSM1
FAQ: Die häufigsten Fragen zu Bierhefe beim Pferd
Was ist der Unterschied zwischen echter und lebender Bierhefe?
Echte Bierhefe ist inaktiv, lebende Hefen sind probiotisch wirksam.
Kann Bierhefe die Darmflora verbessern?
Ja, durch präbiotische Wirkung und pH-Stabilisierung.
Hilft Bierhefe bei Kotwasser?
Ja – speziell in reiner Form und abgestimmter Dosierung.
Welche Wirkung hat Bierhefe bei Sommerekzem?
Stärkt die Hautbarriere, unterstützt die Regeneration.
Wie erkenne ich gute Bierhefeprodukte?
Markenrohstoffe, kurze Zutatenliste, kein Biertreber, klare Deklaration. Hersteller können zudem Fragen beantworten.